Dienstag, 30. April 2024

Live in Bremen: Mine

Foto: luserlounge
(Ms) Der Besuch eines Konzertes ist immer eine sehr persönliche Erfahrung. Und sie erstreckt sich immer auf ein Davor, Dabei und Danach. Dies ist die Schilderung eines Davor: naja, Dabei: wow, Danach: huiiii!

Fangen wir vorne an, beim Davor. Naja. Mines aktuelles Album Baum hat mich gar nicht so sehr begeistert. Zugegebenermaßen habe ich mich auch nicht so intensiv damit auseinandergesetzt, weil auch der Drive zwischen Baum und mir ein wenig fehlte. Ja, ein paar gute Lieder sind wirklich darauf, die die ganze Klasse dieser Musikerin zeigen. Aber das war es auch (für mich). Dem kommt Folgendes hinzu: Im Herbst 2022 spielte sie das letzte Mal im Bremer Schlachthof und der Auftritt hat mich nicht so sehr gekickt. Das fand ich schade, denn ich hatte so Bock darauf. Zusammenfassung: Die Vorzeichen, dass mir der gestrige Abend gefällt, waren eher so mäßig.

Nächster Schritt. Das Dabei. Wow ist eigentlich gar kein Ausdruck dafür, was in den schönen Mauern des Schlachthofes passiert ist. Als Einstimmung auf den Abend hat Lie Ning gespielt. Da habe ich im Vorhinein reingehört und war sehr angetan. Leider hat es mich live dann nicht so sehr gepackt. Klar, seine Stimme ist von einem anderen Stern, alle, die etwas anderes behaupten, sind Banausen. Aber die Musik packte mich nicht so sehr. Soul, R‘n‘B, Pop. Irgendwo dort hält er sich auf. Er war auch unfassbar sympathisch, aber ich konnte mich nicht fallen lassen, die Musik berührte mich nicht so.

Nun gut. Das änderte sich dann in den darauf folgenden zwei Stunden, denn die waren auch von einem anderen Stern. Maßgeblich daran beteiligt war der richtig gute Sound! Nicht zu laut und richtig gut arrangiert! Denn der Klang von Mines Musik ist vielschichtig. Da spielt jeder gefühlt sieben Instrumente. Dass ein zweiter Drummer Teil der Band wurde, hat auch deutlich zur Energie des Abend beigetragen. Denn die stieg mit Mines Betreten der Bühne in wenigen Sekunden ganz weit hoch! Was für eine Präsenz, was für eine Ausstrahlung. Und das lag nicht am goldenen Mantel! Es ist mühsam, die Wucht ihrer Musik an einzelnen Stücken festzumachen, für mich ist es eher die Gesamterscheinung. Mine ist ein Ereignis! Die Arrangements ihrer Stücke sind so dicht, so fein, so gut durchdacht, es zeugt von sehr viel Können dieser Band, das so astrein auf die Bühne zu bringen. Und sie mittendrin. Sie lebt das, was sie komponiert und schreibt. Mit unfassbar viel guter Laune spricht sie zum schier unsagbar aufmerksamen Publikum, es wird alles eins. Und dann immer wieder ihre Halsschlagader, pumpt die Energie dorthin, wo alles benötigt wird. Wie sie dabei strahlt und lächelt. Wie sie auch weiß, dass der musikalische Plan zu 100 Prozent aufgeht. Bei den zittrigen Stücken wie Staub und den massiven Darbietungen wie Hinüber. Das ist so beeindruckend und es sieht so leichtfüßig aus. Mit Laserhandschuh, textsicherem Publikum, Duett mit Lie Ning, Baum mitten auf der Bühne.

Danach. Nicht nur heute, einen Tag danach, sondern gestern schon direkt vom Schlachthof nach Hause… Das war sehr besonders. Viel besser, intensiver als ihr letzter Auftritt in Bremen. Ein sehr guter Stein des Anstoßes, dass ich mir Baum doch noch öfter zu Gemüte führen sollte. Und die große, feste Überzeugung, dass diese Künstlerin vielleicht in der Form ihres Lebens ist, dass diese Band herausragend spielt, dass das wirklich große Kunst ist. Vielen Dank!

Sonntag, 28. April 2024

KW 17, 2024: Die luserlounge selektiert

Dix-sept.svg
Quelle: ia.wikipedia.org
(ms) Tanz in den Mai. Ich weiß nicht so recht. Hier in der eher ländlichen Gegend ist das ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis. Aber sicher eines, das sich ansonsten überhaupt nicht lohnt. Irgendeine Scheune, ein „DJ“, dessen Fähigkeiten mindestens fragwürdig sind und spätestens ab 23 Uhr eine unsagbar besoffene Horde an Typen.
Ne, ne. Tatsächlich kann ich mich nur an einen Tanz in den Mai erinnern, da war ich ungefähr 17 oder so. Das war damals schon schlimm. Bei einem Autohaus. Ohjemine.
Dabei ist doch das Beste am 1. Mai, dass man nicht arbeiten muss. Das heißt, für den Tag gibt es ein recht einfaches Rezept: gemütlich (und vor allem nicht todesverkatert) ausschlafen, entspanntes Frühstück mit frischen Brötchen und heißem Kaffee, dann bei (wahrscheinlich) gutem Wetter draußen sein, lesen, den Tag genießen und nicht zum Frühschoppen gehen. 
Ach, es kann so einfach und wohltuend sein!

Ami Warning &Fatoni 
(Ms) Mit etwas abschließen. Das ist viel schwerer gemacht als gesagt. Klingt halt wie eine Plattitüde. Ja, mach einen Haken dahinter und dann schau wieder nach vorn. Da gilt es schon zu beachten, dass manch Stachel tief sitzt und auch weh tut. Und dieser Schmerz pocht nicht nur durch die Nerven, sondern auch durchs Herz. Der muss erstmal aus beidem raus, um wieder frisch zu sein. So war man bei einigem dabei, aber das Gefühl, wenn man selbst von außen auf das Vergangene schauen kann, ist viel wert und kostet auch einiges an Arbeit. Genau darüber singt Ami Warning auf ihrem neuen Track War Dabei. Dass sie mit diesem und jenem abgeschlossen hat, bezeugt auch der extrem lässig-soulige Sound dieses Stücks. Den richtigen Drive bringt dann Fatoni mit seinem Part auf diesem Lied. Was für eine unsagbar gute Mischung, was für ein starker Track, der weich klingt und doch eine harte Geschichte hat.


Beatsteaks
(Ms) Lange Zeit dachte ich, dass es für mich nur Indierock gibt. Das war über eine gewisse Zeit das Non-Plus-Ultra-Genre. Doch in den letzten vier, fünf, sechs Jahren hat sich das massiv verändert. Mein eigenes Musikhören ist wesentlich breiter geworden, vielleicht auch ein wenig nischiger. Und da erwische ich mich selbst bei so blöden Fragen wie „Ach, die haben was Neues draußen?“ 
Ja, die Beatsteaks zum Beispiel! Die bringen dieses Jahr mit Please ein neues Album heraus und Detractors ist die erste Single, die seit gut einer Woche zu hören ist. Die Band, die ich zwischen 2007 und 2011 (grob geschätzt) richtig abgefeiert habe und stets bei I Don‘t Care As Long As You Sing crowd surfen war, packt mich damit gar nicht mehr. Selten klang die Band in meinen Ohren lahmer als mit dieser Single. Natürlich werde ich in die kommende Platte reinhören, aber vielleicht ist es auch Zeit, sich von ein paar alten Helden zu trennen, auch wenn sie stets ein Garant für große Liveeskalation waren. Mit diesem Stück kann ich es mir wirklich nicht vorstellen.


Kiasmos
(Ms) Rein von der Veröffentlichungsstrategie ist das natürlich richtig schlau! Das Format der EP finde ich nach wie vor sehr verlockend. Es ist eine Platte zwischen Single und Album, drei bis fünf oder sechs Tracks, die einfach raus müssen, die für den Moment so richtig gut sind und in sich stimmig obendrein. Erst Ende März haben Kiasmos ihre EP Flown veröffentlicht, die an sich schon wunderschön ist. Ich mag diesen verträumten, elektronischen Sound sehr.
Und jetzt legen sie direkt mit einem ganzen Album nach. Als ob man die geneigte Hörerschaft erst ein bisschen anfüttern wollte. II erscheint am 5. Juli beim geschmackvollen Label Erased Tapes und könnte reiner Balsam für die Seele sein. Zu hören gibt es die Single Burst und es ist ja frech, wie verspielt dieses Lied ist! Es versetzt mich sofort in einen angenehmen Swing, lässt die Gedanken fliegen und mich ganz im Hier und Jetzt. Wunderschön. Dass Janus Rasmussen und Ólafur Arnalds solch ein Sound immer und immer wieder gelingt, ohne dass es langweilig wird, zeugt nicht nur von sehr viel Know-How, sondern auch von ganz viel Feingefühl! II könnte phantastisch werden!

31. Mai - Berlin, Huxleys, (Ausverkauft)
01. Juni - Maifeld Derby, Mannheim
20. September - Stadthalle, Köln
26. September - Columbiahalle, Berlin


Malta Mina
(Ms) So oft schreibe ich es an dieser Stelle. Aber ich höre nicht damit auf, weil es so schön ist und so viel Spaß macht. Ich mag es so sehr, Musikern bei ihrer Entwicklung zuzuhören. Das ist nicht nur bei den ganz großen Bands so, sondern auch bei den etwas Kleineren. Dazu gehört Malta Mina, das Projekt vom Kölner Sebastian Witte. Vergangene Woche erschien seine neue EP I’m No Liar mit vier Tracks. Und es klingt viel runder und griffiger als zuvor. Der 80er-Jahre-Sound ist viel reifer und satter, das macht sehr viel Spaß hier zuzuhören und mitzuwippen. Zudem haben die Texte hier einen viel höheren Mitsingfaktor. Yes, das ist richtig gut und bin wahnsinnig gespannt, wie diese Reise weiter geht!


Feverdreamt
(Ms) Seit vielen, vielen Jahren bin ich zu gewissen Phasen und Gemütszuständen sehr empfänglich für sakrale Musik. Keine kirchlich-geistliche Musik. Das ist mir oft zu bedeutungsschwanger. Es geht mir dann oft um große Klangflächen und das große Tragende. Das kann laut und leise sein. Ghost haben solch Elemente immer wieder in ihrer Musik und Anna von Hausswolff ist sicher die unangefochtene Königin dieser Musik. Ihrem Klang bin ich seit ihrer ersten Platte verfallen, egal ob laut oder leise.
Eher leise, aber auch sehr, sehr andächtig ist die neue Platte von Feverdreamt. Decay Is Present umfasst acht Stücke, die gut eine dreiviertel Stunde Spielzeit haben. Dahinter steckt einmal mehr Alexander Donat, der so viele musikalische Projekte hat, die alle eine andere Handschrift aufweisen, das ist enorm facettenreich und kreativ! Feverdreamt ist seine Ader für das Dunkle und zugleich Andächtige. Hier dominiert die Orgel, der verzerrte und sehr tolle Gesang und der breite Klang, der in meinen Ohren noch ein bisschen fetter klingen könnte. Aber dieses Album macht sehr viel Spaß, obwohl es so düster ist, da die Stücke sehr abwechslungsreich sind. Leider spielt er selten live, aber das würde ich gerne in einer kleinen Kapelle hören!


Samstag, 27. April 2024

Kettcar - Gute Laune Ungerecht Verteilt

(Ms) Vielen Dank an Chilly Gonzales. Ohne seinen Auftritt bei Böhmermann letztens wäre der Stein des Anstoßes für diesen Text wahrscheinlich noch in weitere Ferne gerollt. Seit gut drei Wochen ist Gute Laune Ungerecht Verteilt von Kettcar nun draußen. Noch ein paar Wochen länger durfte ich es schon hören, aber mir blieb der Zugang verschlossen.
Das erste Mal hörte ich das Album bei einem Abendspaziergang durch den Ort. Als ich zurück kam, wollte ich es gar nicht mehr anrühren. Viel zu sperrig, viel zu umständlich und wenig griffig. Das war mein erster Eindruck und er blieb länger haften. Mühsam begann ich die Lieder zu verstehen, bei allen ist es mir bis heute nicht ganz gelungen. Einige finde ich immer noch recht schwach oder ich habe ihre Stärke noch nicht verstanden. Andere finde ich textlich-musikalisch heikel. Und dann kommen aber auch zahlreiche wirklich tolle Lieder über die ich mich richtig freue und die ich beim Bremenkonzert aus vollem Herzen mitsingen konnte.
Der Schlüssel zum Album war jedoch wirklich der Chilly Gonzales-Auftritt beim NeoMagazin. F*CK WAGNER hat er dort präsentiert und die sehr alte, sehr gute Frage aufgeworfen, ob Werk und Autor zu trennen sind. Was für eine spannende Angelegenheit. Wagner, Kanye, Michael Jackson, R. Kelly. Undundund. Ihre Lieder werden immer noch im Radio gespielt, also trennen Sender zwischen Werk und Autor, halten die Kunst für größer als den Künstler. 
Auch Kettcar werfen diese Frage auf und nennen das Stück dazu Kanye In Bayreuth. Wagner also wieder. Genialer Musiker aber Antisemit. Muss man das aushalten? Die Hamburger Band um Marcus Wiebusch hat eine eindeutige Haltung dazu: Nein, hier muss man nichts aushalten, Werk und Autor bleiben zusammen, sind eine untrennbare Einheit. Genau das wird in diesem Lied durchexerziert und das Für und Wider besprochen. In meinen Ohren ein wenig holprig, aber textlich ungemein wichtig und stark. Vielleicht ist der Track inhaltlich wichtiger als musikalisch gut. 

Kettcar also. Seit 23 Jahren dabei. Ich sah sie nun 33 Mal live. Sie sind eine der wichtigsten Bands für mich und überraschen an vielen Stellen auf dieser neuen Platte. Und der kulturphilosophische Gedanke von oben geht ja auch umgekehrt: Kettcar sind die Musik, die sie machen. Die fünf Menschen, die dieses Jahr wirklich oft auf der Bühne stehen, sind solche aufrichtigen Typen, die Liebeslied, sozialen Traum, politische Mahnung und große Unterhaltung leben. Es ist ihnen anzusehen, wie sie bei ihren Auftritten derzeit strahlen und wirklich dankbar sind, dass sie immer noch das machen können, was sie lieben und können.

Doch ein paar Songs verstehe ich einfach nicht. Einige finde ich phasenweise auch gruselig. Doug & Florence zum Beispiel. Ja, der Traum, dass eines Tages die Pflegerinnen und Paketboten und alle anderen Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen die Macht übernehmen, ist schön und gut. Aber selten hat mich ein Kettcar-Refrain stärker genervt als dieser. Hui! Auch Einkaufen In Zeiten Des Krieges ist wirklich schlimm. Ja, ich habe das schon verstanden, aber soll das jetzt witzig oder bitter sein? Oder beides? Zudem klingt es wie eine Fortsetzung von Trostbrücke Süd, das auch nicht zu meinen Kettcar-Lieblingsliedern gehört. Klar, ist nur mein Eindruck.
Wir Betraten Die Enterprise Mit Falschen Erwartungen erschließt sich mir auch überhaupt nicht. Auch Was Wir Sehen Wollen packt mich gar nicht, trotz des Hoffnungsschimmers in dunkelsten Zeiten. Und wirkt in meinen Ohren wie eine Fortsetzung oder andere Version von Ein Zimmer. Puh, also erstmal knapp eine Handvoll Lieder, die so erstmal nicht bei mir laufen werden. Durchatmen.

Viele der Tracks, die jetzt kommen, sind auch die Singles und Stücke, die sie aktuell live spielen. Oft besteht da ja ein Zusammenhang, dass ein besserer Zugang herrscht zu den Stücken, die ein wenig mehr Aufmerksamkeit bekommen. Tja, so ist das halt.
Bis jetzt frage ich mich, warum Chris von Fjørt auf München mitsingt?! Live nimmt Lars Wiebusch diesen Part ein und ich finde es viel, viel stimmiger! Nichts gegen die Aachener, super Band, insbesondere live, aber das Feature hätten sie sich schenken können. Nicht jedoch den Text. Und auch die Art dieses Lied musikalisch zu gestalten. Die Wut in den Zeilen muss in die Gitarre verlagert werden und wirkt so richtig gut! Auch die Art des Songwritings passt genau. Marcus Wiebusch hat sie mit seinem Solo-Album wieder entdeckt. Dass der Sprechgesang von …But Alive heute genauso funktioniert und den wichtigen Liedern den richtigen Rahmen gibt. München. Harlaching. 
Einen Track wie Rügen habe ich gar nicht erwartet. Vielleicht lässt er sich ja auch erst mit einem gewissen Alter schreiben und damit will ich niemandem zu nahe treten. So umsichtig über Familie und Kinder zu singen, braucht Abstand und Erfahrung. Spürbar, wie der Mensch Wiebusch hinter dem Text steht.
Trotz erstem, schlimmem Satz auf Bringt Mich Zu Eurem Anführer, kickt mich das Stück so richtig gut! Der Drang nach vorn im Refrain ist packend, strömt durch den Körper. Trotz der harten Geschichte dahinter: Einlieferung in die Psychiatrie (so vermute ich zumindest), ein bisschen Kuckucksnest-mäßig.
Und dann noch zwei ganz große strahlende Lieder, die den Kern der Band ausmachen. Die zeigen, dass sie niemals müde werden, an das Gute zu glauben. Dass es wichtig ist, diese Fahne aufrecht zu halten und weit oben zu hissen. Allen schlimmen Nachrichten zum Trotz! Nicht aufgeben ohne Durchhalteparolen. Sondern mit Liedern wie Auch Für Mich 6. Stunde. Kettcar - ein Bengalo in der Nacht! Ungeahnt stark auf dem sechsten Album. Ungeahnt, wie nah Marcus Wiebusch uns Hörer an sich heran lässt. Ein Brief Meines 20-jährigen Ichs (Jedes Ideal Ist Ein Richter) hatte live eine richtige Wucht. Schon auf Den Revolver Entsichern bekam man eine Ahnung davon. Hier ist es noch persönlicher. Und da steckt er: Der Künstler im Werk. Mit dem nimmermüde guten Herzen, dass es immer wieder schafft, das zu Papier zu bringen, was pocht und wichtig ist: „Und du tust, was du musst, und du hoffst, dass es langt.“

Diese Hoffnung geht auf. Gute Laune Ungerecht Verteilt ist thematisch sehr breit aufgestellt. Einiges verschließt sich mir oder meinem Intellekt oder beidem. Doch noch nie in der Geschichte der Band haben es Kettcar an so vielen, an so vielen wichtigen Stellen geschafft, das Gute ohne Wenn und Aber aufrecht zu halten, daran zu appellieren, was uns zusammenhält. Mit klugen Worten und verdammt viel Herz. Diese Band wird immer besser. Wahnsinn! Kettcar, alte Lady! Wo sind Kunst und Künstler denn auf so gute Art und Weise verbunden. Ich weiß es nicht…

Übrigens: Chilly Gonzales kommt zu einem anderen Schluss.

22.06. Duisburg, Traumzeit Festival
13.07. Georgsmarienhütte, Waldbühne Kloster Oesede
18.07. Marburg, Marburger Sommernächte
25.07. AT - Wien, Arena (Zusatzkonzert)
26.07. Augsburg, Sommer am Kiez
27.07. Karlsruhe, Zeltival
28.07. CH - Thun, Am Schluss Festival
29.07. AT - Graz, Kasematten
31.07. Freiburg, ZMF
01.08. Friedrichshafen, Kulturufer
02.08. Würzburg, Hafensommer
03.08. Reutlingen, HafenSounds Festival
04.08. Mainz, KUZ
10.08. Braunschweig, Applaus Garten
11.08. Lüneburg, Kultursommer
12.08. Bayreuth, Seebühne
14.08. Jena, Kulturarena
15.08. Bad Zwischenahn, Park der Gärten
16.08. Würselen, Burg Wilhelmstein
17.08. Taarstedt, Angeliter Open Air
28.08. Trier, Brunnenhof
29.08. CH - Aarau, Kiff
30.08. CH - St. Gallen, Grabenpark - 40 Jahre Grabenhalle
31.08. AT - Linz, Posthof (40 Jahre Posthof)
01.09. Schwerin, Schloss


Live in Oldenburg: Dota

Foto: luserlounge
(Ms) Vollkommen im Moment sein. Absolute Kurzweil. Selten war es einfacher als bei einem Abend mit Dota. Mit einem großen Maß an Leichtigkeit gestaltete die Musikerin mit ihrer Band einen herrlichen, knapp zweistündigen Donnerstagabend in der sehr gut gefüllten Oldenburger Kulturetage.
Und wer kommt da so hin, wenn Dota dieses Jahr eines ihrer zahlreichen Konzerte spielt? So ziemlich jeder, wenn man durchs Publikum schaut. Klar, es ist das hiesige Kulturpublikum (ganz anderes Thema), doch beispielsweise beim Alter gab es gar keine Grenzen. Von Studierenden bis Senioren war alles dabei. Sogar Menschen, die vor dem Auftritt noch ganz entspannt gestrickt haben. Finde ich gut.
Die Berlinerin gab dem Abend das Motto „Ein Lied von jedem Album“. So hat nicht nur sie sondern auch das teils sehr textsichere Publikum - auch auf Portugiesisch - eine chronologische Reise durch ihr eigenes Schaffen erlebt. Nicht immer wurde sich an diese Reihenfolge gehalten, aber Ausnahme und Regel…

Was mich sehr am Auftritt beeindruckt hat, war ihre absolut aufrichtige Mischung aus Haltung und Unterhaltung. Viele Lieder bestechen ja durch ihre schönen Träumereien, sowohl von ihren eigenen Texten als auch von den Mascha Kaléko-Liedern. Ob es um nischige Berufsgruppen geht oder einen Blick durch die Natur, es zählt nur das Hier und Jetzt. Das ist ein großes Talent. Es tut so gut, einen Abend lang allem zu entfliehen, was nervt und anstrengt. Mit Dota geht das im Nu! Auch, weil sie das ausstrahlt, was sie ist. Ich unterstelle ihr, dass es keinen Unterschied zwischen Bühnenperson und Privatperson Dota gibt, außer dass sie am Mikrophon auch Entertainerin ist. Das, was sie singt, das ist sie. Das macht sie sehr glaubwürdig und den Genuss des Abends umso leichter. Tatsächlich höre ich ihre Musik nur ab und an, aber so ein Konzert ist dann noch etwas anderes, sehr Lohnenswertes.
Insbesondere da sie Haltung und Unterhaltung sehr gut zusammenbringt. Neben schmunzeligen Liedern über Tontechniker gibt es genauso aussagestarke Texte über Grenzen, Mietpreiswucher und Social Media-Wahn. Tanzbar macht das ihre richtig gute Band, in der jeder zeigen kann, was er drauf hat. Es ging ungemein harmonisch zu auf der Bühne. Und wie sie dabei strahlt. Wunderschön! Wenn man liebt, was man tut.

Also, liebe Erdenbewohner: Geht unbedingt zu einem der zahlreichen Konzerte von Dota in diesem Jahr. Es tut der Seele sehr gut und macht unfassbar viel Spaß ihr und ihrer Band beim Musizieren zuzuschauen und dabei zu sein!


Sonntag, 21. April 2024

KW 16, 2024: Die luserlounge selektiert

Quelle: de.wikimedia.org
(Sb/ms) Nein, ich kenne die Hintergründe nicht und sie sind mir auch egal, ich will die Beweggründe nicht wissen, ich will mich einfach nur noch aufregen, auf der Stelle stehen, Schaum vor Wut vor dem Mund bekommen und diese dämliche Flasche gegen die Wand donnern. Denn genau da gehört sie hin. Man, was soll das denn? Dieser blöde Deckel direkt an der Flaschenöffnung macht den Trinkprozess ganz schön kompliziert. Für eine bessere Recyclingfähigkeit. Im Ernst?! Der wird doch auch nur geschreddert. Oder sind die Städte und Wiesen voll mit Flaschendeckeln? Sind nicht Reifenabrieb und synthetische Kleidungsfasern das Problem der Umweltverschmutzung? Argh! Ist mir gerade auch egal. Dieser scheiß Deckel soll weg vom Flaschenhals. Dann peckt der so blöd an der Wange und pieckst da rein. Klar, PET an sich ist ja auch doof, aber manchmal muss es eine kleine Limo sein. Aus der Plastikflasche. Ja, man. Ich reiße sie alle ab. Die ganzen Deckel.

Moonpools
(Ms) Sofort im Sound! Ohne Umschweife direkt gepackt! Die Energie schlägt ab dem ersten Takt zu! Noch bevor der Zähler auf eine Sekunde tickt, macht dieses Lied mich an! Diese Band schafft das bereits zum zweiten Mal. Dann finde ich das natürlich besonders gut. Es geht um Moonpools, die aus Basel kommen. Echt, die Schweizer Musikszene kenne ich überhaupt nicht, außer dass Dino Brandao und Dagobert daher kommen. Damit hat dieses Quartett aber nun wirklich nichts zu tun. Hier preschen die Gitarren und Synthies unbändig nach vorn. Man fühlt sich direkt wie in einem Film oder auf der Schnellstraße hinein ins Abenteuer. Say Anything heißt das Stück, um das es hier geht. Es ist auf ihrer neuen EP Hide And Seek, die heute (!) erscheint und ganz viel Lust auf diese Band macht und einen Shoegaze-Sound, der irgendwie beim ersten Hören ein wenig antiquiert klingt, aber mit jedem Takt mehr Kraft entwickelt. Das ist richtig, richtig gut und macht richtig, richtig viel Spaß! Auf dass davon noch ganz viel mehr kommt!


Dumbo Tracks
(Ms) Wie auf neue Musik aufmerksam werden? Wie selektieren bei dieser unsagbar großen Anzahl an wöchentlich neuen Stücken, die es zu hören gibt? Wir versuchen hier ja eine kleine freitägliche Serviceleistung. Aber anfangen müssen wir auch irgendwo. Mancher Bandname klingt spannend, mancher Text ist toll geschrieben, manche Stichworte lassen mich aufhorchen. Wie beim Dumbo Tracks. Da steht nämlich freidrehende, wandernde Kraut-Dance Grooves. Da bin ich sofort dabei und möchte wissen, wie das klingt. Insbesondere, wenn dann noch geschrieben wird, dass Philipp Janzen - Kopf des Projektes - die Ideen zur neuen Platte in Italien fand, dann zurück nach Köln kam und in einigen Studiosessions genau zu dem Klang kam, den er anstrebte. Da wäre ich am liebsten dabei gewesen. Am 21. Juni erscheint Move With Intention auf Bureau B und es wird sicherlich phantastisch. Zu hören ist bislang die Single Daughter Of Flood, auf der Rubee Fegan singt. Oder viel mehr spricht. Und das über einem ganz tollen Kraut-Beat. Da könnte man jetzt sagen: Klar, ein paar pfiffige Wiederholungen und fertig ist Krautmusik. Weit gefehlt. Denn Janzen reichert diese gute Idee mit einigen pfiffen Elektrosounds an und entwickelt so einen wirklich packenden Sound. Ich bin sofort dabei - was für ein klasse Track. Das wird eine gute Platte!


Noga Erez
(Ms) Wenn ein Liveauftritt die Beziehung zu einer Band noch intensiviert. Die Geschichte geht so: Vor drei Jahren kam das aktuelle Album Kids von Noga Erez heraus. Ihren Name habe ich vorher schon hier und da wahrgenommen, doch die Platte hat mich dann ziemlich stark angesprochen. Geiler Pop, der irgendwie keiner ist. Dann sah ich sie vor zwei Jahren beim Appletree und war nochmal hin und weg. Was sie da mit ihren beiden Mitmusikern abgerissen hat, war beeindruckend. Nicht nur der Bass, sondern ihr gesamter Auftritt hinterließ viel Eindruck. Zudem ist sie einfach saucool, oder?! Genau. Vor Kurzem kam schon ein neuer Track heraus. Nun legt sie direkt nach. Vandalist heißt der Track und ist wesentlich tanzbarer als sein Vorgänger. Und wieder mag ich die vielen verschiedenen Elemente, die sie in ihre Musik einbaut. Der Rhythmus ist pfiffig. Dann pfeift und klatscht wer. Ich mag total, wie sie singt. Die Basslinie ist catchy, das Klavier knallt an genau den richtigen Stellen. Einfach richtig gut! Ob eine neue Platte kommt, weiß ich nicht, aber die Anzeichen verdichten sich…

 
Bernd Begemann & Die Befreiung
(sb) Mit Bernd Begemann verbindet mich seit sehr vielen Jahren eine Art Hassliebe. Manche Tracks (z.B. Ich habe nichts erreicht außer Dir oder Fernsehen mit Deiner Schwester) könnte ich hoch und runter hören, andere nerven mich grandios, weil sie mir einfach zu verkopft, zu intellektuell und zu Hamburger Schule sind. Alles in Maßen kann ich gut ertragen, manchmal wirds mir aber halt zu viel. Nichtsdestotrotz ist Begemann natürlich ein hervorragender Songwriter, der nicht umsonst knapp 30 Alben aufgenommen und über 400 Songs veröffentlicht hat. Dass sich Größen wie Thees Uhlmann und Tocotronic auf ihn berufen, ist also kein Zufall. Heute erscheint Begemanns neues Album Milieu und auch das enthält einige wunderbare Perlen, sprüht vor Enthusiasmus und lässt keinerlei Routinen erkennen. Das weiß zu gefallen und doch treten auch diesmal die oben beschriebenen Mechanismen zu Tage, die es mich einfach nicht lieben lassen. Das ist sehr schade, aber Ihr wollt ja meine ehrliche Meinung, oder?
 
07.05.2024, Darmstadt – Künstlerkeller
08.05.2024, Stuttgart – Merlin
09.05.2024, Ulm – Roxy
10.05.2024, Bielefeld – Movie
15.05.2024, Köln – Gebäude 9
16.05.2024, Berlin – Quasimodo
17.05.2024, Essen – Grend
19.05.2024, Hamburg – Nachtspeicher
 
Am 08.06. werde ich Bernd Begemann übrigens in Friedrichshafen sehen - allerdings mit einem ganz anderen Programm. Das Familienkonzert "Unter meinem Bett" richtet sich in erster Linie an 4- bis 12-Jährige und verspricht, den Erwachsenen genau so viel Spaß zu machen wie den Kids. Ich bin gespannt! Und musikalische Frühbildung ist bekanntlich sososo wichtig...
 
 
 

Donnerstag, 18. April 2024

Dino Brandão - Self-Inclusion

Foto: Flavio Leone
(Ms) Diese 42 Minuten sind ein ganz großer Genuss. Eine knappe Dreiviertelstunde, die klangtechnisch ganz große Kunst sind. Textlich und geschichtlich auch.
Doch ich brauchte einige Zeit, um in Self-Inclusion, dem ersten Solo-Album von Dino Brandão einzutauchen. Denn nebenbei lässt es sich (meines Erachtens) nur schwer hören. Am besten kapselt man sich dafür ein wenig ab, schallisoliert und entspannt. Dann eröffnet sich nämlich ein ungeahnt spannender und vor allem vielschichtiger Klangraum. Es ist vergleichbar mit den frühen Liedern von Bayuk. Aber noch umtriebiger. Was Brandão alles miteinander mischt und verbindet, ist genial! Ich würde es as Art Pop bezeichnen, da der künstlerische, also der geniale, Moment so oft durchschimmert. Es ist nicht nur Strophe/Refrain/Strophe/Bridge/Refrain und aus. Nein, hier ist Jazz, Bossa Nova, Samba, Alt-J, Damon Albarn, die ganze Welt zu hören.

Ausgangspunkt für die Texte der zehn Lieder ist eine Multiple-Sklerose-Diagnose und ein längerer Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Ja, manchmal lassen die tiefsten Tiefen die größte Kunst erschaffen. In dem wahnsinnig breitgefächerten Ansatz, Musikstile miteinander zu kreuzen, nebeneinander zu stellen, zu verbinden, in Eins zu gießen sehe ich den Genie-Moment, der mich an Damon Albarn erinnert. Dass sich in manch Liedern enorm viele Parts abwechseln und gleichzeitig nie ein Durcheinander entwickelt, ist für mich der Alt-J-Moment dieser Scheibe. Das sind ja aber nur meine Assoziationen. Über allem steht seine unverwechselbare Stimme, die zart, hart und so verdammt einprägsam sein kann. Trotz dem durchaus hohen musikalischen Anspruch, hat die Platte einen krassen Ohrwurmfaktor.

Total hängen bleibt zum Beispiel der Rhythmus auf Bouncy Castle. Wenn er dann mit einer etwas erhöhten Stimme in den Refrain geht, bin ich komplett ergriffen! Catchy ist zudem das enorm entspannte Gitarrenspiel Zu hören ist eine Einlieferung in die Klinik. Hui! Keine leichte Kost, textlich. Musikalisch umso mehr! Die Trompete spielt hin und wieder eine brillante Rolle auf den Stücken. Denn sie wird in genau den richtigen Momenten eingesetzt, um Spannung abzubauen und wieder ein wenig Harmonie in die teils verschachtelten Parts zu streuen. Auf Coma geling dies richtig, richtig gut! Coconut hingegen ist nicht unbedingt eines der Lieder, die direkt herausstechen, aber der lässig, tiefe Bass, der sich durch das ganze Lied erstreckt, ist göttlich! Das präsenteste Stück der Platte ist in jedem Fall Progress! Wie viele geile, packende Elemente kann man nur auf ein einzelnes Lied packen? Dino Brandão beantwortet es auf 3:45 Minuten. Das ist eine schier unglaubliche Klangreise und ein Zeugnis von richtig starker, großer Kunst! Hier lohnt es sehr, den Text auf dem Schirm zu haben. Denn auf diesem tanzbaren Track fragt er woher denn unser Wohlstand käme. Die bittere Antwort im Lied: „Colonial love. Nothing to be proud of.“ Da ist einem plötzlich gar nicht mehr nach Tanzen zumute.

Das, was auf diesen 42 Minuten passiert, ist wahnsinnig beeindruckend und spricht mich sehr an. Wem das beim ersten Hören zu wild und sperrig ist, dem rate ich: Hör nochmal rein. Es lohnt sich so sehr. Klanglich und textlich wird man hier reich beschenkt. Self-Inclusion ist ein Album, das ist gar nicht so auf dem Schirm hatte, aber in kurzer Zeit zu einem der Top-Platten diesen Jahres gehört! Große Empfehlung!

19. April - Manufaktur, Schorndorf, DE
20. April - Fri-Son, Fribourg, CH


Dienstag, 16. April 2024

Live in Bremen: Kettcar

Foto: luserlounge
(Ms) Im Vorfeld des neuen Albums (Review kommt verspätet auch bei uns, nur abwarten…) wurde in Bezug auf Kettcar hier und da das Wort ‚Comeback‘ benutzt. Das halte ich für ziemlichen Quatsch. Das Jahr, wo sie wirklich gar nicht spielten, war das Vergangene. Aber seit Veröffentlichung von Ich Vs. Wir haben sie immer wieder Konzerte gespielt, mal mehr, mal weniger. Aber sie waren eigentlich immer da. Zwischendurch kam ja auch die Live-Platte raus und während Corona waren halt alle zu Hause.

Als …Und Das Geht So erschien, haben Kettcar auch schon im Pier 2 in Bremen gespielt. Ob die Zuschauerzahlen von vor gut vier Jahren mit denen am Sonntag vergleichbar sind… leider kann ich mich nicht mehr so gut daran erinnern. Der Oberrang zumindest war nicht geöffnet, aber eineinhalbtausend Musikbegeisterte waren sicherlich vor Ort und haben ein tolles Konzert erlebt.
Oder zwei. Denn als Support der ersten Auftritte hatten die Hamburger Kochkraft Durch KMA mit dabei. Eine sehr gute, weil so gegensätzliche Kombination der beiden Gruppen. Das Quartett prescht mit viel Energie und ordentlich Bass in ihren Liedern nach vorn und lässt die Wände beben. Stets mit dem Herzen auf der richtigen Seite. Praktisch, dass sie kürzlich eine gemeinsame Single mit Team Scheisse herausbrachten, Timo kam für Mein Hund Heißt Wie Du um die Ecke und mit auf die Bühne, sehr gelungene Überraschung! Noch recht weit hinten stehend, konnte ich mich leider gar nicht mal so gut auf den Gig einlassen, aber der Funke sprang teilweise sehr gut über. Electropunk lebt offensichtlich!

Tja, wo soll man nun stehen, wenn man Kettcar zum 33. Mal live sieht? Wieder so weit vorn wie möglich?! Ja, klar! Und wir bekamen den guten Tipp, dass es vorn wesentlich luftiger ist als hinten. Diese seltsame Info haben wir dann erproben wollen und ein sehr gutes Plätzchen rechts von der Bühne ergattert. Auf der Bühne alles wie gewohnt. Vier sehr hohe Mikros, dann die Drums, keine Überraschungen. Dahinter jedoch war ein riesiges Banner zu sehen mit einer erweiterten Version des aktuellen Albumcovers. Im Laufe des Abends wurden immer wieder Videos darauf projiziert. Das hatte eine ungeahnt starke Wirkung! Obwohl ich Kettcar schon so, so oft gesehen habe, und auch Der Tag Wird Kommen oft live erleben konnte, hat dieses Lied dadurch für mich nochmals wesentlich mehr Kraft entwickelt, ging mir nah, trieb mir die Tränen in die Augen.

Kettcar live also. Erst am Neujahrstag sah ich sie in Hamburg und fragte mich, welche Klassiker wohl den neuen Songs weichen würden. Ha! Gar keiner! 48 Stunden, Balu, Landungsbrücken Raus, Ich Danke Der Academy, Im Taxi Weinen, Rettung, alles wurde gespielt. Und die neuen Stücke halt obendrauf, sodass das Konzert gut zwei Stunden ging. Ich glaube, das war eine gute Wahl!
Los ging es mit Auch Für Mich 6. Stunde, der Opener der neuen Platte und aus meiner Sicht einer der ganz starken neuen Songs. Denn eines machte die Band den ganzen Abend über klar. Auch wenn Sie Den Revolver Entsichern nicht gespielt haben, gilt: Von den verbitterten Idioten nicht verbittern lassen. Nie ans Aufgeben denken, immer an das Gute im Menschen appellieren, denn da ist doch so viel, was gemeinsam gepackt werden kann, auch wenn den ganzen Tag über nur üble Nachrichten auf uns einhageln. Vielleicht ist das die gemeine Mission dieser Band, egal wo sie spielt. Komm, wir bilden eine Front, und dann seht zu, was kommt!

Sicherlich war es nicht das beste Konzert, was ich von ihnen sah. Irgendwie fehle mir ein bisschen die Frische und Energie. Vielleicht verlangen die neuen Stücke noch viel Aufmerksamkeit. Insbesondere da sie ja durchaus anders arrangiert und dichter im Text sind (jedoch gab Marcus Wiebusch auch ein paar windige Songwritinggeheimnisse Preis!). All das und noch viel mehr, können Gründe sein. Aber ein wichtiger Punkt wird mir bei Kettcar-Auftritten nie abhanden kommen: Dieses überwältigende Gefühl von Nach-Hause-Kommen. Das anhand von Musik, die schon sehr Jahren bei mir läuft. Von einer Band, die auch mit ihrem neuen Album mein Herz (und mittlerweile immer stärker den Verstand) anspricht. Und es dauert nicht mehr lang, dann folgen Nummer 34 und 35…